Appenzeller Zeitung, 4. Oktober 2013
          Der
            Käse, der aus der Kälte kam
          Andreas Gigers aktueller Krimi »Leichenraub mit
            Eichenlaub« bringt eine Vielzahl von regionalen und nationalen Themen zusammen.
            Mit den Instrumenten des digitalen Zeitalters spüren die Ermittler dem Geist
            vergangener Tage nach.
          Von Ueli Abt
          APPENZELLERLAND. Man mag sich bei der Lektüre von Krimis zuweilen wundern, wie gern offenbar
            Autorinnen und Autoren detailliert schildern, dass Menschen auf grässliche Weise ums Leben kommen. Nicht
              so bei Andreas Gigers aktuellem Kriminalroman «Leichenraub mit Eichenlaub»: Die erwähnte leibliche Hülle ist ein potenzielles
                Museumsstück, eine Gletschermumie, vor Jahrhunderten
                  eines natürlichen Unfalltodes gestorben. Überraschend vielleicht höchstens, dass
                    die ermittelnde Hauptperson fast schon schmachtend auf die attraktive Gletscherfrau schaut, die sich auf Fotos
                      am Fundort scheint's als eine Art gefriergetrocknetes Schneewittchen im Eissarg präsentiert.
          Geeignet für Marketingzwecke 
          Doch das ist nur eine nicht weiter
            erörterte Randerscheinung in dieser themenreichen· Geschichte: Viel stärker steht im Fokus, dass diese
              Zeitgenossin aus dem Mittelalter in ihren letzten Stunden einen Käselaib mit sich
                führte, und auch der scheint unter dem Gletschereis recht frisch geblieben zu sein. 
          Die
            archäologische Ötzi-Käserin liesse sich doch
            prima touristisch und fürs Käsemarketing auswerten, denkt sich ihr Finder,
              Ich-Erzähler des Romans. Doch dann entwendet eine unbekannte Täterschaft die Mumie, und in der Folge dreht sich
                alles um die berühmte Frage, wer es war. 
          Autor Giger spielt mit seiner
            Erzählstrategie auf Risiko, weiht er doch die Leser bereits etwa in der Mitte
            des Buches ein: Mit einem Einschub springt er quasi in einen Bunker am Rande
            des Appenzellerlands, zum spleenigen Entführer.
            Es kann reizvoll sein, beim Erzählen einer Geschichte mit der Tür ins Haus
            zu fallen. Zahlreich sind die filmischen Dramen, die vorab ihren Schluss
            verraten und anschliessend aufrollen, wie es dazu kam. Bei «Leichenraub
              mit Eichenlaub» funktioniert das Prinzip der frühen Enthüllung nur bedingt.
                Ich-Erzähler Franz Eugster, Ermittler, Medienkenner und Wanderfan in
                  einem, tritt im wesentlichen als Chronist auf, der den
                  Fall mehr mitverfolgt, als dass er ihn löst. Er berichtet im Prinzip anhand
                    einer Abfolge von Zeitungsartikeln, anonymen Nachrichten des Erpressers sowie User-Kommentaren
                      in Internetforen. Und das lässt die Erzählung handlungsärmer erscheinen,
                      als sie eigentlich ist. Zu diesem Eindruck trägt ausserdem bei, dass
                      Dialoge nur nacherzählt werden, statt dass diese direkt im Text stattfinden. 
          Google-
            Ermittler 
          Wer aber 'ist dieser Eugster, der
            sich der Welt so gern via Google nähert? Man weiss von ihm, dass er eine
            deutlich jüngere Freundin polnischer Herkunft hat. Die versierte Nutzerin
            der digitalen Informationsmöglichkeiten hat
            Beziehungen zur Hackerszene, so gelingt dann auch der
            Durchbruch bei der Entlarvung des Täters. Eugster
              selbst bleibt als Charakter rätselhaft. Er referiert gerne, so viel wird
              klar, die Geschichte des Alpsteingebietes mit
              seinem Säntis-Bahnprojekt etwa, den Ötzi-Fund im Südtirol, und insbesondere über die geheime Widerstandsorganisation
              P-26. 
          Wenn nicht durch Action und eine
            sich überschlagende Handlung, so ist Gigers Krimi dennoch in anderer
            Hinsicht spannend: Denn das Spiel von Sein und Schein läuft im Buch - ganz zeitgemäss
            - auf medialer Ebene ab. Der Autor erweist sich dabei als präziser Beobachter
            von Medien und deren Wirkung. 
          Es gehört für einen Schweizer
            Krimi schon fast zum Standard, dass er an realen Orten
            und Regionen vor der Haustür spielt. Lesern aus dem Appenzellerland dürfte die Ansiedlung
              des Romans an bekannten Schauplätzen denn auch besonderes Vergnügen
              bereiten. 
          Was das Buch aber von vielen
            vergleichbaren Regio-Krimis unterscheidet, ist etwas anderes: Nebst dem Fortgang des kriminalistischen
              Geschehens bleibt Zeit und Raum für Momente der Andacht und für Unerklärliches.
              Vielleicht macht diese innere Offenheit das Buch mehr noch als die
              geographische Verortung zu einem eigentlichen Appenzeller Krimi. 
          
          Appenzeller Volksfreund, 10. Oktober 2013
          Offenbar der
            Ursprung des Appenzellers
          »Leichenraub mit Eichenlaub«
            - Andreas Gigers dritter Käse-Krimi steckt voller Geheimnisse
          Wenn demnächst in
            der Appenzeller Schaukäserei ein Glas-Sarkophag mit der Gletscherleiche Appi» aufgestellt wird, hat sich das
              Geheimnis um die Rezeptur des Appenzeller Käses wieder nicht gelüftet. Nur eine
              Vision des Autors Andreas Giger wird umgesetzt. 
          Rolf Rechsteiner 
          Man stelle sich vor: Auch im dritten Band der Appenzeller «Käse-Krimis» findet der
            Ich-Erzähler eine Leiche. Der «Blau Schnee», das Gletscherchen am Säntis, gibt
              eine Frauenleiche frei, die offenbar seit 700 Jahren im Eis gelegen hat. Ein gebrochener Fuss bei miserablem Wetter in unwirtlichem Gelände hat ihrem Leben einst ein
                Ende gesetzt. Neben ihr liegt - ebenfalls im Eis konserviert - ein Appenzeller
                Käse, den sie mit Sicherheit selber produziert hat. Sie dürfte unterwegs
                gewesen sein zum Grempler, der auf der Schwägalp Station machte, um Alpprodukte für Gutbetuchte in den Niederungen einzukaufen. Eine Kostprobe des
                inzwischen aufgetauten Gletscherkäses macht offenbar, dass «Appi» - so wird die
                  Gletscherleiche bald einmal liebevoll genannt - die Rezeptur für den echten Appenzeller
                  Käse erfunden hat. Mit Kräutern und gebrannten Wassern muss sie experimentiert
                  haben, um dem reifenden
                    Milchextrakt auf die Beine zu helfen. Doch leider bleibt «Appi» stumm; eine Notiz mit dem Rezept
                      trägt sie nicht bei sich. 
          Entführung 
          Ihr Leichnam wird nach allen Regeln der Kunst - gelernt hat
            man bei «Ötzi» - zur Untersuchung in die
              EMPA gebracht und kurze Zeit später entführt. Nun beginnt eine Fahndung, die ihresgleichen
                sucht, denn wer soll schon
                  ein Interesse an einer Toten haben, deren Herkunft ungewiss und deren
                    Nachkommen unbekannt sind. 
          Andreas Giger versteht es, den Leser auf glattes Parkett zu führen. Er
            baut in seine Handlung geschickt Irrwege und Seitenpfade ein, die den sorgfältigen Leser dazu animieren könnten, bei Google oder
            Wikipedia anzuklopfen. «Wurde der erste Appenzeller Käse wirklich vor 700 Jahren
              urkundlich erwähnt?», könnte man sich fragen. Und war er schon damals, was er heute ist -
                ein Mythos? 
          Ehrenzeichen:
            Eichenlaub 
          Andreas Giger dreht die Sache so hin, dass die Entführung
            einem politisch motivierten Hintergrund entspringt. Ein verkannter Held der
            jüngeren Geschichte will erreichen, dass seine und seiner Gefolgsleute
            Taten endlich öffentlich gelobt und anerkannt' werden. Intensive Nachforschungen
              des Krisenstabs decken seine Identität auf; der Entführer und sein Helfer
              scheitern kläglich. 
          Erinnerung an «Das
            gefrorene Herz» 
          Die Gletscherleiche «Appi» aber nimmt keinen Schaden. Der
            Autor lässt die Interessen derer aufeinanderprallen, die sich einen Profit
            für den örtlichen Tourismus ausrechnen. Der Bezirk Schwende, auf dessen Grund
              und Boden «Appi» gefunden wurde, gerät in den Clinch mit dem Hauptort, Appenzell, der verkehrsgünstiger
                liegt. Auch Oberegg hätte Interesse, seine legendäre Aussicht nachhaltiger
                vermarkten zu können. Der Privatermittler Franz Eugster, Finder der Gletscherleiche, schlägt einen Kompromiss vor: Wenn die Innerrhoder sich streiten, sollte Ausserrhoden etwas davon haben, «Appi»
                  gehört mit ihrem «Ur-Appenzeller» nach Stein, wo ihr in der Schaukäserei ein
                  würdiger Raum gewidmet werden soll. 
          Mit «Leichenraub mit Eichenlaub» schliesst Autor Andreas Giger
            seine KäseTrilogie. Dem Leser macht er es recht einfach, in die Geschichte
              hineinzufinden. Nach wie vor bewohnt er ein Häuschen auf einem Hügel des
              Appenzeller Vorderlandes, und seine Gefährtin Adelina, eine Polin mit
              speziellen Computerkenntnissen, greift ihm bei der Wahrheitsfindung unter die
              Arme.
           
          Eine weitere Besprechung findet sich im Blog von Laetitia Vitae: